Wissenschaftskommunikation mit und für Kinder und Jugendliche

Im neuen Sparkling-Science-Projekt „We talk about scienceerforscht die Universität Graz, wie das Vertrauen in Wissenschaft durch partizipative Kommunikation gefördert werden kann.

Wie erklären Sie Kindern und Jugendlichen, worum es in Ihrem Projekt geht?

Wir reden mit Kindern und Jugendlichen über drei Dinge: Was ist Wissenschaft? Was macht Wissenschaft aus? Wie sprechen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über die eigene Forschung? Das Projekt besteht aus unterschiedlichen Schritten.

Zu Beginn schauen wir uns gemeinsam mit den Jugendlichen an, welche Inhalte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den Themen „CO2“ und „Strahlung“ kommunizieren. Ganz wichtig ist uns dabei, zu erfahren, was die Kinder und Jugendlichen davon fachlich verstehen und welche Fragen sie haben. Diese werden dann gemeinsam mit den Studierenden des Lehramts Chemie beantwortet. Als nächstes sollen die Kinder und Jugendlichen selbst zur Tat schreiten: Sie suchen sich eine Person aus und erklären ihr diese Themen. Dabei werden sie von Studierenden bei der Gestaltung von Social-Media-Inhalten, Videos oder Grafiken unterstützt. So lernen sie Wissenschaftskommunikation hautnah kennen.

Wir Forscherinnen und Forscher schauen uns dabei an, wie die Schülerinnen und Schüler kommunizieren und möchten daraus lernen, wie Wissenschaftskommunikation zukünftig auch für Schülerinnen und Schüler verständlich und attraktiv gestaltet werden kann. Höhepunkte sind die Science-Cafés am Ende des Projekts. Hier haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Ergebnisse zu präsentieren und selbst als Wissenschaftskommunizierende aufzutreten.

Wie entstand die Idee zu diesem Projekt?

Die Fachdidaktik Chemie der Universität Graz beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit mit dem Aufzeigen und der Erklärung von naturwissenschaftlichen Phänomenen im Alltag. Dies wurde in einigen Beispielen bereits im „SpottingScience“-Projekt umgesetzt. So erklären wir zum Beispiel auf dem Dachstein-Gletscher naturwissenschaftliche Phänomene auf dem Berg. Mit Hilfe von „ScienceSpotlights“ regen wir die Besucherinnen und Besucher an, den Phänomenen mit kleinen Experimenten auf den Grund zu gehen. Es hat sich gezeigt, dass diese auf großen Zuspruch stoßen und viele Leute neugierig machen.

In den Lehrveranstaltungen im Lehramtsstudium Chemie erstellen wir solche „ScienceSpotlights“ mit Studierenden. Unsere Erkenntnis ist: Fachdidaktik und Wissenschaftskommunikation beinhalten ähnliche Elemente, trotzdem können beide Seiten noch viel voneinander lernen. Bei unseren vielen Aktivitäten mit Schülerinnen und Schülern sahen wir, dass sie Produkte aus der Wissenschaftskommunikation zu Themen wie „Covid-19“ oft gar nicht wahrnehmen und teilweise auch fachlich gar nicht verstehen. Wie man das verbessern kann, wollen wir jetzt herausfinden.

Personen im Dunkeln bei Experimenten © Philipp Spitzer

Warum haben Sie sich entschieden, Schülerinnen und Schüler sowohl aus der Primar- als auch aus der Sekundarstufe in Ihr Projekt einzubinden? Die Altersgruppen und die damit einhergehenden Kompetenzen sind ganz unterschiedlich.

Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe setzen sich in den Fächern Physik, Chemie und Biologie mit naturwissenschaftlichen Inhalten auseinander. Somit liegt es nahe, mit dieser Zielgruppe das Thema „Wissenschaftskommunikation“ zu untersuchen. Für die Primarstufe haben wir uns entschieden, weil die Begeisterung für Naturwissenschaften in der Volksschule extrem hoch ist und wir uns gefragt haben, inwiefern man auch da schon über Wissenschaft oder wissenschaftliche Themen kommunizieren kann.

Selbstverständlich kann in der Volksschule Wissenschaft nicht auf gleichem Niveau wie in der Sekundarstufe oder für Erwachsene vermittelt werden, aber wir möchten diese unglaubliche Begeisterung nutzen.

Wie war die Zusammenarbeit mit Schulen im Zuge der Antragstellung?

Die Zusammenarbeit mit den Schulen bei der Antragstellung war sehr angenehm. Teilweise bestand vorher schon Kontakt. Einige Schulen sind neu und machen das erste Mal bei einem Sparkling-Science-Projekt mit. Mit dem Kulturzentrum Stieglerhaus in St. Stefan ob Stainz gibt es bereits eine Kooperation. Hier war der Wunsch, mehr in Richtung Naturwissenschaften zu machen und die Universität stärker in den Ort zu holen. Daher sind wir mit unserer Forschungsidee auf offene Ohren gestoßen und konnten die ganze Gemeinde mit ins Boot holen: Die Volksschule und die Mittelschule sind im Projekt dabei. Auch der Kindergarten des Ortes hat angefragt, ob wir sie einbinden können, um auch hier naturwissenschaftliche Themen zu behandeln. Das hat uns natürlich sehr gefreut.

Zitat auf türkisem Hintergrund

Gibt es etwas, worauf Sie sich ganz besonders im Projekt freuen?

Das Projekt besteht aus drei spannenden Arbeitsgebieten: 1. aus der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in der Schule, 2. aus der Arbeit mit Studierenden des Lehramts und 3. aus der Präsentation und Umsetzung der Ergebnisse in den jeweiligen Kulturzentren. Ganz besonders freue ich mich auf die Präsentation der Produkte der Schülerinnen und Schüler im Rahmen von „Science-Cafés“ in den jeweiligen Kulturzentren. Ich finde es faszinierend zu sehen, wie ein Ort über naturwissenschaftliche Themen diskutiert und wie die Schülerinnen und Schüler als „Keimzellen“ Wissenschaft aus ihrer Sicht vermitteln.

Ein zweites Highlight sind für mich die geplanten naturwissenschaftlichen Experimentierabende. Unser Ziel ist auch, die Bevölkerung vor Ort mit ins Projekt zu holen. Der erste Experimentierabend „Glühwürmchen und Gin Tonic“ im Sommer im Stieglerhaus war ein voller Erfolg. Die Experimentierstationen zu einem Überthema regen in lockerer Atmosphäre zu Gesprächen über Naturwissenschaften an und sorgen für das eine oder andere Staunen – ganz gleich ob jung oder alt.

Laut der letzten Eurobarometer-Umfrage der Europäischen Kommission zur Einstellung der EU-Bürgerinnen und -Bürger zu Wissenschaft ist die österreichische Bevölkerung überdurchschnittlich wissenschaftsskeptisch. Welche Erfahrungen haben Sie dazu gemacht?

Die Eurobarometer-Umfrage zeigt natürlich ein eher düsteres Bild. Ich selbst habe tatsächlich auch schon Wissenschaftsskepsis erlebt. Für viele scheint Wissenschaft und insbesondere die Naturwissenschaften im Alltag gar keine so große Rolle zu spielen. Im Biomarkt kauft man vermeintlich ohne Chemie ein, beim Friseur ist das Bleichen und Färben „natürlich“ und auch bei Lebensmitteln macht man sich wenige Gedanken.

Naturwissenschaftliches Wissen kann aber auch im Alltag sehr weiterhelfen. Nehmen wir beispielsweise einmal das aktuelle Thema „Energie sparen“. Mit naturwissenschaftlichem Wissen kann ich viel besser einschätzen, wie ich das umsetzen kann. Dann wird auch sehr schnell klar, dass Teelichtöfen oder andere Wundermittel nicht sinnvoll sind. Das kann ich mit chemischem und physikalischem Wissen sehr einfach erklären. Ich glaube, dass manche Menschen Personen benötigen, die ihnen diese naturwissenschaftlichen Phänomene näherbringen und besonders ihre Relevanz deutlich machen. Wissenschaft darf keine Blackbox sein und hinter verschlossenen Türen stattfinden.

Zitat auf türkisem Hintergrund

Welche Bedeutung hat Wissenschaftskommunikation für Sie?

Meiner Meinung nach ist Wissenschaftskommunikation wichtiger denn je. Wir sollten uns aber mehr Gedanken darüber machen, welche Anforderungen die Zielgruppe hat, mit der wir kommunizieren. Was sind Vorwissen, Erfahrungen und wie bedeutsam ist das Thema für sie? Da sind wir wieder in der Schule und im Lehramtsstudium. Auch hier ist ein wichtiger Aspekt, sich über die Vorstellungen der Zielgruppe Gedanken zu machen bzw. sie in der fachdidaktischen Forschung zu beforschen. Wenn wir über die Köpfe der Menschen hinwegreden, werden wir kein Verständnis bewirken, sondern vielleicht sogar mehr Skepsis hervorrufen.

Danke für das Interview!


Ein Wiedersehen mit Philipp Spitzer gab es bei der Online-Podiumsdiskussion „Forschen(d) lernen. Praktische Wissenschaftsvermittlung für Kinder und Jugendliche“ am 14. Dezember 2022. Im Rückblick finden Interessierte eine kurze Zusammenfassung der Diskussion (u.a. mit der Direktorin des ZOOM Kindermuseums) sowie den Link zum Event-Video (bis Ende März auf YouTube).

 

Weitere Informationen